Faszinierender Dreiklang aus Motiv, Bewegung und Melodie
So klingt die Welt von Wendt und Kühn: Beschwingt und bewegend, mit einem Hauch von Nostalgie, wenn der Reiz des Mechanischen mit meisterhafter Handwerkskunst zu vollendeter Harmonie verschmilzt. Ein Streifzug durch Geschichte und Gegenwart der Spieldosen von Wendt und Kühn.
Andächtig ziehen sie ihre Runden: Acht fröhliche Frühlingskinder, die zu Melodien von Wolfgang Amadeus Mozart um einen Hügel mit Himmelschlüsseln tanzen. Der klare, vielstimmige Klang des Schweizer Spielwerks zieht die Zuhörer in seinen Bann, ebenso wie die kunstvolle Vielfalt der Figuren, die der zehneckigen Spieldose ihren zeitlosen Charme verleiht.
Die formvollendete Spieldose 'Himmelschlüssel', die das 100-jährige Jubiläum der Grünhainichener Werkstätten Wendt und Kühn krönt, ist ein wahres Meisterwerk. Geschaffen von kunstfertiger Hand, veredelt mit Liebe und Fleiß, basierend auf einem über 60 Jahre alten Entwurf, der in mustertreuer Detailgenauigkeit mit neuem Leben erfüllt wird. Von Menschen wie Heiko Martin, der seit 18 Jahren Tag für Tag mit Hingabe die Spieldosen von Wendt und Kühn aus unzähligen Einzelteilen montiert. "Eine wunderbare Aufgabe, die höchste Präzision erfordert", erzählt er und lässt mit geübtem Schwung den Drehteller auf dem Gewinde nach unten wirbeln, bis dieser den Figuren eine gerade Plattform bietet. "Schließlich soll der Kinderzug viele Jahrzehnte lang sanft seine Runden drehen." Beim Einbau hört er jedes Musikwerk das erste Mal an - eine Qualitätskontrolle, die dank seines geübten Ohres nur absolute Erstklassigkeit duldet. Der schönste Moment ist für Heiko Martin dann gekommen, wenn die Dose und das Werk harmonisch miteinander vereint sind. "Dann ziehe ich die Spieldose noch einmal auf, höre andächtig auf die Musik und beobachte die Bewegung der Figuren", lächelt er. "Schon so oft erlebt - und immer wieder faszinierend."
Dieser Moment wird sich später hundertfach wiederholen: Jedes Mal, wenn eine zarte Kinderhand oder die vorsichtigen Finger eines Erwachsenen behutsam an dem kleinen Ring aus Messing drehen, um das im Inneren verborgene Spielwerk in Bewegung zu versetzen, entfaltet sich ein Gefühl purer Magie. Ist es der Klang der Musik, der unsere Gesichter mit kindlicher Verzückung erfüllt? In einer Zeit, in der wir uns jede beliebige Melodie in Dolby Surround Qualität ins Haus holen können, mutet der mechanische Klang des Spielwerks fast schon nostalgisch an. Und doch hat er etwas von jenem Genuss, den Kenner mit dem Hören einer alten Vinylschallplatte verbinden. Das bewusste Zuhören, die Kraft spendende Entschleunigung. Es ist die Freude am Ursprünglichen stimmungsvoll untermalt vom metallischen Klang der Melodie und der Bewegung der kunstvollen Figuren, die Authentizität und hohen handwerklichen Anspruch widerspiegeln.
Grete Wendt schätzte die Magie der Spieldosen seit jeher als etwas ganz Besonderes. Die erste Spieldose aus ihrer Hand findet sich noch heute im aktuellen Katalog der Manufaktur - 'Tannenbaum' heißt sie und trägt die Nummer 1. Geschaffen wurde sie 1920, viele weitere sollten ihr folgen. Im Laufe der Firmengeschichte entstanden zunächst Spieldosen mit einer einfachen Kurbel, bei denen der Zuhörer selbst Hand anlegen musste, um dem Spielwerk die Melodie zu entlocken. Später wurden die Handdrehdosen von Spieldosen mit mechanischen Musikwerken abgelöst.
Fasziniert verfolgen die Menschen seither das kunstvolle Zusammenspiel von Melodie und bewegtem Motiv - vom staunenden Kind bis hin zu Marlene Dietrich, die im Filmklassiker 'Blonde Venus' den Zauber der Grünhainichener Spieldosen bis nach Hollywood brachte. Heinz Rühmann wiegt im Film-Lustspiel 'Hurra! Ich bin Papa!' mit einer Spieldose von Wendt und Kühn den Sprössling in den Schlaf - so wie es noch heute viele Eltern tun. Und das schwedische Königspaar schmückt zur Weihnachtszeit seinen Stockholmer Palast mit den musikalischen Meisterwerken aus Grünhainichen.
"Einen breiten Raum unter all diesen Dingen
nehmen unsere Spieldosen mit Figuren und Musikwerk ein.
So gibt es eine Fülle von Modellen und Melodien,
vor allem auch Weihnachtsspieldosen mit ihren schönen alten Liedern."
Grete Wendt
"Grete Wendt war die Regisseurin, die ihre Figuren wie auf einer Bühne inszenierte", erklärt Katrin Wojtkowiak, die den Schatz der Grünhainichener Spieldosen bewahrt. "Jede Dose schafft dabei die passende Kulisse für eine bewegte Szene - meist einen Tanz, eine Wanderung, einen Reigen oder einen Kinderzug. Die Bemalung der Dose ist harmonisch darauf abgestimmt, ebenso wie die gewählte Melodie. Ein reizvoller Dreiklang aus Motiv, Melodie und Bewegung, der uns noch heute verzaubert.
Dass die Melodie im hölzernen Körper ihren vollen Klang entfaltet, dafür sorgen die ausgewählte Holzart und die besondere Fertigung der Spieldosen. So wird die 'Weltkugel' der gleichnamigen Spieldose mit einem Ausdrehhaken hohl gedrechselt. Ein langes Werkzeug schält sich unter der kunstfertigen Hand des Drechslers in das Innere des Holzes und dreht Span für Span heraus, bis die Halbkugel hohl ist. Zusammen mit einer zweiten Halbkugel bietet sie einen perfekten Resonanzraum für das Musikwerk. Dabei kommt es auch auf die Auswahl des Holzes an. Fichtenholz ist geradezu ideal - nicht ohne Grund wird es auch im Instrumentenbau bevorzugt eingesetzt. Auch bei den eckigen Dosen ist der Resonanzboden aus Fichte. "Fichtenholz gibt die Schwingungen des Musikwerks hell und klar weiter", erklärt Roland Stanzel, Holzexperte und Meister der Dreherei. "Wichtig ist, dass sich der Klang nach allen Seiten ausbreiten kann – deshalb haben alle unsere Dosen kleine Füße oder Sockel, damit der Boden gut schwingt."
Zum Schwingen gebracht wird auch unsere Stimmung, wenn sich der Drehteller der Spieldose ganz langsam in Bewegung setzt und die Figuren beginnen, zum Klang der Musik ihre Geschichte zu erzählen - ein endloser Zauber, der niemals vergeht.
Expertentipps
1. Lassen Sie die Melodie immer zu Ende laufen. Sonst bleiben die Zähne des Stimmkamms womöglich lange in 'angehobener Position' stehen und können sich verziehen.
2. Lagern Sie Spieldosen immer trocken und bei Zimmertemperatur. Das ist nicht nur gut für das Holz der Dose und Figuren, sondern auch für die metallenen Teile des Spielwerks.
3. Reparaturen gehören in Meisterhand. Sollte Ihre Dose einmal nicht mehr spielen, versuchen Sie bitte nicht, sie selbst zu reparieren. Unsere Restaurateure bringen sie wieder zum Klingen.
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