Hans Wendt - Ein bewegtes Leben für die Manufaktur


Über 40 Jahre lang führte Hans Wendt das Unternehmen Wendt und Kühn - eine lange und vor allem bedeutsame Zeit, in der er die Grünhainichener Werkstätten mit kaufmännischem Geschick und visionärer Weitsicht durch die Ära des Sozialismus bis in die marktwirtschaftliche Epoche nach der Wende leitete.

 

Hans Wendt und seine Zwillingsschwester Sigrid 1936 mit großem Däumling - Wendt und Kühn.Ohne ihn wäre unsere Firma heute nicht das, was sie ist, denn Hans Wendt ist es zu verdanken, dass wir die großen Werte unseres Unternehmens, unseren Markennamen und unsere einzigartigen Muster in die neue Zeit hinüberretten konnten. In unserem großen Porträt anlässlich seines 1. Todestages lassen wir das bewegte Leben des Unternehmers und Menschen Hans Wendt noch einmal Revue passieren und erweisen ihm damit die letzte große Ehre im Magazin dieser Manufaktur, die ohne ihn heute nicht so bestehen würde.

 

Hans Wendt und seine Zwillingsschwester Sigrid wurden am 9. Oktober 1930 in Chemnitz geboren. Ihre Eltern waren Olly und Johannes Wendt, die ebenfalls fest im Unternehmen verwurzelt waren. Olly entwarf als Gestalterin viele unverwechselbare Figuren wie die winzigen Schneeflockenengel oder die reich verzierten Brokatengel, die noch heute fest im Sortiment unserer Werkstätten verankert sind. Johannes Wendt war Gretes Bruder und leitete über zwei Jahrzehnte die kaufmännischen Geschicke der Manufaktur.

 


Hans Wendt 1947 vor der Werkstatt in Waal - Wendt und Kühn.

 

 

In ihrem Grünhainichener Elternhaus verbrachten die Zwillinge eine glückliche und unbeschwerte Kindheit - immer umgeben von den berühmten Engeln und anderen Figuren, die im Leben der Wendts allgegenwärtig waren. So waren die Zwillinge schon in den frühen Jahren mit den Figuren der Manufaktur vertraut, saßen oft in der Packerei und klebten die Bodenmarken auf die Holzfiguren. Dafür bekamen sie ein kleines Taschengeld von ihren Eltern. Obwohl es nur ein paar Groschen waren, war die Freude der Kleinen über das eigene Geld groß.

 

 

 

 

1945 fand die behütete Kindheit ein jähes und grausames Ende. Johannes Wendt, der Vater der Zwillinge, wurde verschleppt und in ein Lager in Russland gebracht, wo er einige Monate später verstarb. Ein russischer Offizier, der damals im Haus einquartiert war, warnte die Mutter Olly: Er habe die Information, dass auch ihr Sohn Hans verhaftet werden sollte. Um dies zu verhindern, beschloss die Familie, Hans in Sicherheit zu bringen und schickte ihn im Januar 1946, gerade einmal 15 Jahre alt, nach Bayern. Grete Wendt hatte in Waal im Allgäu einen guten Bekannten, den sie bei ihren Aufenthalten in München kennen gelernt hatte. Das Gesellenzeugnis von Hans Wendt 1948 - Wendt und Kühn.Drechslermeister Gebhard Heinz nahm den Jungen in seinem Haus auf und Hans Wendt begann bei ihm eine Drechslerlehre. Hier lernte Hans nicht nur Drechseln, sondern durchlief auch die harte Schule des Lebens. Als einziger Lehrling musste er jeden Samstag, wenn die anderen schon Feierabend hatten, die Werkstatt reinigen und Späne wegschaffen. Das Leben im Allgäu war schlicht, das Zimmer nicht beheizbar, das Bett kaputt und zum Waschen ging man zum Brunnen in den Hof. Das kräftige und bodenständige Essen schmeckte ihm jedoch vorzüglich und die Vorliebe für Kartoffeln und Quark hielt ein Leben lang. Auch eine andere Liebe reifte in dieser Zeit im jungen Hans Wendt: Die große Liebe zum Werkstoff Holz. Gebhard Heinz war ein strenger Lehrmeister und brachte Hans nicht nur viele wichtige Handwerkstechniken bei, sondern auch ein Gefühl für Proportionen. Dosen, Stuhlbeine und Spinnräder wurden in der Heinz'schen Werkstatt gedrechselt und hier erwarb Hans seinen großen Respekt vor guter handwerklicher Arbeit, der ihn ein ganzes Leben lang auszeichnete. Auch sein Gefühl für Arbeit und Leistung wurde in dieser Zeit geschärft. Später als Betriebsleiter legte er stets großen Wert darauf, dass niemand, der fleißig und gut arbeitet, dies zu Hungerlöhnen oder unter unwürdigen Bedingungen tun muss.

 

 

Hans Wendt während seines Studiums im Sommer 1953 - Wendt und Kühn.Im Februar 1948 schloss er seine Lehre als Drechsler ab. Doch Hans Wendt wollte noch mehr erreichen. Bei seiner Flucht hatte er seine Schulbildung an der Oberschule in Zschopau aufgeben müssen. Nun führte er diese an der Wirtschaftsoberrealschule in München fort, wo er 1949 das Abitur ablegte. Nach einjähriger Tätigkeit als Tischler in der Schreinerei Dippold in Mühldorf/Inn nahm er ein Studium an der Staatsbauschule Rosenheim auf, das er als „Betriebstechniker der Holzindustrie" Anfang 1953 beendete. Für Hans Wendt war dies laut eigenem Bekunden seine glücklichste Zeit. Trotz knappem Budget unternahm er viel mit seinen Freunden und Kommilitonen und erkundete mit dem Fahrrad das schöne Bayern.

 

Im März 1953 ging er für ein weiteres Jahr nach München, um an der Akademie für Angewandte Technik den Abschluss als Wirtschaftsingenieur zu erwerben. Nach seinem Studienabschluss 1954 stand für ihn eine große Entscheidung an: Sollte er die Arbeitsangebote im Westen annehmen oder in die ostdeutsche Heimat zurückkehren? Damit würde er viele Privilegien aufgeben und auch mit der Reisefreiheit wäre es vorbei. Doch Hans Wendt wusste, wo er hingehört. Er fühlte, dass ihn die Firma in Grünhainichen braucht, und so kehrte er als 24-Jähriger in die Heimat zurück. Seine Tante Grete war damals schon 67 Jahre alt. Sie brauchte dringend einen kaufmännischen Leiter für die Werkstätten, nachdem Hans' Vater verschleppt worden und gestorben war. Und so trat Hans Wendt am 1. November 1954 als Betriebsingenieur in die Firma ein. Am 1. Juli 1957 wurde er Mitinhaber, gemeinsam mit Grete Wendt.

 

Im Mai 1961 heiratete er. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor - ein Mädchen und zwei Jungen. Der jüngere Sohn Tobias übernahm später die Grünhainichener Werkstätten und leitet seit über sieben Jahren die Manufaktur.

 

Hans Wendt als frischgebackener Ingenieur 1954 - Wendt und Kühn.Hans Wendt bewies bei der Führung des Unternehmens über Jahrzehnte hinweg großes Geschick und unternehmerische Weitsicht. Die Wirtschaft der DDR war geprägt von volkseigenen Betrieben und für ein Privatunternehmen war es alles andere als einfach, in diesem Umfeld zu bestehen. Neben bürokratischen Hemmnissen gab es immer wieder Engpässe in der Materialbeschaffung. Doch Hans Wendt verstand es stets, mit Durchsetzungskraft und Verhandlungsgeschick Lücken im System zugunsten des Unternehmens zu nutzen. 1972 erließ die Regierung einen folgenschweren Beschluss über die Verstaatlichung der bis dahin privatwirtschaftlichen Betriebe. Hans Wendt erkannte, dass diese Entwicklung unaufhaltsam war. Er stemmte sich nicht dagegen, sondern verkaufte den Betrieb an den Staat - und bewies damit einmal mehr sein unternehmerisches Gespür. Unter anderem setzte er durch, dass seine Tante Grete eine - wenn auch nur geringe - Lizenzabfindung für die Nutzung der Muster erhielt. Ein weiterer genialer Schachzug war, dass der neue VEB (volkseigene Betrieb) dank Hans Wendt den Namen Werk-Kunst bekam. Dadurch wurden die Initialen W&K erhalten, was sich nach der Wende als entscheidender Vorteil beim Wiederaufbau der historischen Marke erwies. Auch dass Hans Wendt den nun volkseigenen Betrieb weiter als Leiter führen konnte, war durchaus ungewöhnlich. Aber es gab einfach niemanden, der diese Funktion auch nur in annähernd guter Qualität hätte ausführen können.

 

 

Zum 50-jährigen Jubiläum 1965 dankt Hans Wendt verdienstvollen Mitarbeitern - neben ihm Grete Wendt.Als Leiter des volkseigenen Betriebes duldete Hans Wendt keinerlei Abstriche an Mustertreue und Qualität. Nahezu täglich stand er selbst oft stundenlang an der Bohrmaschine oder kontrollierte die Bemalung der Brokatengel. Qualitätskontrolle war für ihn das A und O. Er konnte mit einem Blick aus Hunderten von Figuren diejenigen erkennen, die bei der Bemalung kleinste Fehler aufwiesen.


Nach der Eingliederung in das Kombinat Erzgebirgische Volkskunst unterlag der VEB Werk-Kunst von 1972 bis Mitte 1990 der Planwirtschaft. Durch geschicktes Agieren gelang es Hans Wendt jedoch selbst unter diesen schwierigen Bedingungen, die ihm wichtigen Werte des Unternehmens aufrecht zu erhalten: Die Mustertreue wurde in höchster Qualität gewährleistet, geeignete Materialien beschafft, hochwertig verarbeitet und die Figuren nie als Massenware gefertigt. So konnte der gute Ruf der Grünhainichener Engel® trotz schwierigster Umstände bewahrt werden.

 

 

Hans Wendt

Hans Wendt führte den volkseigenen Betrieb, als wäre es noch immer sein eigener - soweit das unter diesen Bedingungen möglich war. Dank dieser Qualitäten wurde er nicht nur in der Branche, sondern der gesamten Region als starke Persönlichkeit und hervorragender Leiter des Unternehmens geschätzt. Hans Wendt war nie Mitglied einer Partei. Er ließ sich nicht verbiegen.

Als die Wende kam, war Hans Wendt schon 60 Jahre alt - für ihn jedoch kein Grund zu zögern. Voller Tatendrang wagte er einen Neuanfang. Endlich konnte er all das realisieren, was über viele Jahrzehnte unmöglich gewesen war. Am 1. Juli 1990 - im 75. Jubiläumsjahr der Firmengründung - kaufte er den Betrieb vom Staat zurück und das Unternehmen firmierte endlich wieder unter dem Namen Wendt und Kühn. Hans Wendt war als Unternehmer in seinem Element. Er blühte sichtlich auf und konnte sein brillantes unternehmerisches Geschick wieder zum Wohle der Werkstätten einsetzen. So verschleuderte er die Waren beispielsweise nicht für DDR-Mark, sondern lagerte sie ein und veräußerte sie sofort nach der Währungsunion an die Großhändler in der alten Bundesrepublik. Auch erkannte er, dass sich das Unternehmen mittelfristig vom Großhandel lösen und stattdessen wieder auf die direkte Belieferung der Einzelhändler setzen muss. Und so grub man alte Kundenlisten wieder aus, nahm Kontakt zu den Facheinzelhändlern auf und gab ihnen die Möglichkeit, direkt Bestellungen bei Wendt und Kühn aufzugeben.

 

Hans WendtEine weitere entscheidende Maßnahme nach der Wende war die Durchführung dringend nötiger Investitionen. In 40 Jahren Sozialismus war es nur begrenzt möglich, moderne Technik anzuschaffen und dadurch technologische Verbesserungen voranzutreiben. Jetzt bestand endlich die Möglichkeit dazu. Die vorhandene Bausubstanz musste dringend modernisiert werden, es entstanden neue Produktionsgebäude auf dem firmeneigenen Grundstück und auch der Maschinenpark wurde durch zahlreiche Anschaffungen auf den neuesten technischen Stand gebracht. Insgesamt wurden nach der Reprivatisierung Investitionen in Höhe von 7 Millionen Euro getätigt - sicherlich auch ein Grund für die enorme Aufwärtsentwicklung der Firma nach der Wende.

 

Tobias Wendt mit seinem Vater Hans Wendt.Besonders am Herzen lag Hans Wendt bei allen Neuerungen und Investitionen immer das Wohlergehen seiner Mitarbeiter. Er förderte modernste Arbeitsbedingungen, schuf durch kluge wirtschaftliche Maßnahmen die Voraussetzung zur Erhöhung der Löhne und sorgte für eine freundliche und angenehme Arbeitsatmosphäre. Typisch für diese soziale Einstellung ist der häufig gehörte Ausspruch von Hans Wendt: „Was wäre wohl ein Chef ohne seine Mitarbeiter?" Ende 2001 übergab Hans Wendt die Leitung des Unternehmens an seinen jüngsten Sohn Tobias. Am 31. Dezember 2001 schied Hans Wendt aus dem Betrieb aus. Dennoch nahm er weiterhin regen Anteil am Firmengeschehen. Er schaute fast täglich in den Werkstätten vorbei, führte das eine oder andere Schwätzchen mit den Mitarbeitern und stand seinem Sohn bei der Leitung des Unternehmens mit Rat und Tat zur Seite. Für sein Lebenswerk wurde Hans Wendt am 7. Oktober 2002 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

 

 

2002 erhält Hans Wendt für sein Lebenswerk das Bundesverdienstkreuz von Ministerpräsident Milbradt.

Nach langer Krankheit verstarb Hans Wendt am 10. September 2008 im Alter von 77 Jahren in Dresden. Sein Tod war nicht nur für die Familie Wendt ein großer Verlust, sondern auch für die Firma und die gesamte Branche. Seinem Sinn für gestalterische Details, seinem großen Weitblick, seiner sozialen Einstellung gegenüber seinen Mitarbeitern, seinem maßvollen und mutigen unternehmerischen Handeln bei der Führung der Firma und vor allem seinem kaufmännischen Geschick ist es zu verdanken, dass Wendt und Kühn heute wie vor fast 100 Jahren zu den bekanntesten deutschen Manufakturen zählt.

 

Über 40 Jahre lang führte Hans Wendt das Unternehmen mit viel Herzblut und Sachverstand erfolgreich durch wechselvolle Zeiten. Er trotzte allen Widrigkeiten des sozialistischen Regimes und ihm gelang es, die Figuren einem weltweiten Publikum bekannt zu machen. Die Originalität der Entwürfe und die hohe Qualität der handwerklichen Fertigung zu bewahren, war ihm dabei stets eine Herzensangelegenheit. Dieses Erbe setzen •wir verantwortungsvoll fort, damit die einzigartigen Figuren von Wendt und Kühn den Menschen noch lange Freude bringen - ganz im Sinne von Hans Wendt.

 

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